Richtig auszeigen
Die Auszeige ist
in den letzten Jahren in vielen Forstbetrieben, aber auch bei privaten
Waldbesitzern zu einer vergessenen Kunst geworden. Zeitmangel, immer größer
werdende Reviere und mangelndes Fachwissen führten dazu, dass man auf die
Auszeige gänzlich verzichtet oder sie dem Harvesterfahrer überlässt. Dabei
setzt die Auszeige den waldbaulichen Plan um und ist daher entscheidend dafür,
wie sich ein Bestand weiterentwickelt. Oder anders formuliert: Einige Stunden
für die Auszeige sollte man bereit sein zu opfern, wenn es um die langjährige
Zukunft eines Bestandes geht.
Keine Auszeige ohne Plan
Bevor man sich
jedoch an die Auszeige macht, sollte entschieden werden, welche waldbaulichen
Ziele mit der Maßnahme umgesetzt werden sollen. Neben Förderung der Verjüngung
oder Regulierung der Baumartenmischung gehören zwei Zielsetzungen zu jeder
erfolgreichen Maßnahme im Wald
-
Das Zuwachspotential an Holz
soll auf die besten, also die vitalsten, stabilsten und wertvollsten
Bäume
konzentriert werden.
-
Die Stabilität des Bestandes soll erhöht werden.
Gelingen kann
das, indem man sorgsam die Bäume auswählt, die im Bestand verbleiben sollen
sowie eine Eingriffstärke wählt, die stark genug ist, um von den verbleibenden
Bäumen Konkurrenzdruck zu nehmen, und gleichzeitig nicht die Stabilität des
Bestandes gefährdet.
Der Zukunftsbaum
Die Bäume, die
im Bestand verbleiben und die Zuwachsträger sind, werden Z-Bäume oder
Zukunftsbäume genannt. Von diesen Baumindividuen wird aufgrund ihres aktuellen
Erscheinungsbildes erwartet, dass sie wertvolle Stämme bilden. Die typischen
Merkmale eines Z-Baumes sind:
-
Stamm ohne Fehler wie
Astigkeit, Drehwuchs, Zwiesel
-
Keine Wurzelbeschädigungen
-
Keine Rindenschäden
-
Gut ausgebildete Krone (min. 30
% der Baumlänge)
-
Vorherrschende Stellung im
Bestand
Um diese Bäume
zu fördern, sollen mögliche Konkurrenten entfernt werden. Allerdings ist nicht
jeder Baum, der in der Nähe eines Z-Baums steht, ein tatsächlicher Konkurrent.
Bäume, die nicht in die Krone oder nur bis in den unteren Teil der Krone eines
Z-Baums drängen, stellen keine Konkurrenz dar und können daher im Bestand
verbleiben. Lange Zeit war es üblich, die Z-Bäume im Bestand auszuzeigen. Der
Nachteil dieser Methode ist aber der hohe Arbeitsaufwand, da nahezu jeder Baum
auf seine Tauglichkeit als Z-Baum überprüft werden muss. Oft ist man bei der
Auszeige auch zu zögerlich, einem Baum tatsächlich den Rang eines Z-Baums zu
verleihen. Der größte Nachteil der Z-Baummethode ist aber, dass man kommende
Ereignisse nicht vorhersehen kann und nicht weiß, ob der auserwählte Z-Baum in
den kommenden Jahrzehnten nicht doch Opfer von Wind, Käfer, Schnee oder
Blitzschlag wird.
Die schlechten ins Kröpfchen…
Daher erscheint
es praktikabler, die Bäume auszuwählen, die aus dem Bestand ausscheiden sollen,
da sie über eine schlechte Qualität verfügen. Eine schlechte Qualität äußert
sich durch:
-
Kleine oder unvollständig
ausgebildete Kronen (weniger als 20 % der Baumlänge)
-
Fehler wie Drehwuchs,
Astigkeit, Zwieselbildung
-
Offene Verletzungen von Rinde
oder Wurzeln
-
Schlechtes Verhältnis von
Höhe/Durchmesser
Die Auszeige
sollte sich daher auf diese Bäume konzentrieren. Nur in folgenden Fällen ist
das nicht zutreffend:
-
Bei Laubmischbaumarten, deren
ökologische Wirkung (Bodenverbesserung) wichtiger ist als der Holzertrag
-
Bei Bäumen, die am Rande von
Rückegassen stehen. Diese sollen belassen werden, da nach deren Entfernung die
nachfolgende Baumreihe durch den Holztransport beschädigt werden würde.
Stabilität und Vitalität
Neben der
Zuwachssteigerung sollen durch die Auszeige auch die Stabilität des Bestandes
erhöht werden. Die Bestandsstabilität hängt mit der Stabilität der Einzelbäume
zusammen. Die Stabilität eines Baumes ist auf seine Vitalität zurückzuführen,
und diese ist am leichtesten am Kronenzustand erkennbar. Geringe Kronenlängen
(weniger als 20 % der Baumlänge) weisen darauf hin, dass der Baum von anderen
Bäumen stark bedrängt wird und sich dieser Konkurrenz nicht erwehren kann.
Kronenverlichtungen, Verfärbungen der Blätter oder nicht gleichförmig
ausgebildete Kronen sind Zeichen für Erkrankungen und eine geringe Vitalität.
Bäume mit schlechten Kronen müssen daher aus dem Bestand ausscheiden. In
Laubwäldern findet daher die Auszeige am besten im Frühjahr statt, um den
Kronenzustand richtig beurteilen zu können. Durch Witterungsverhältnisse
(trockene Sommer, kalte Herbste mit Frühfrost) kann der Kronenzustand
beeinflusst werden und zu einer Fehleinschätzung führen. Ein weiterer Indikator
für die Stabilität eines Einzelbaums ist das Höhen-Durchmesser-Verhältnis
(h/d-Wert). Je größer dieser Wert ist, als desto instabiler ist der Baum
einzustufen. In gleichaltrigen Beständen mit geringer Durchmesserverteilung
sind die h/d-Werte sehr ähnlich, daher ist es nicht notwendig, für jeden Baum
den h/d-Wert zu berechnen. Bestände bestehend aus Bäumen mit hohen Werten sind
meist ein Resultat von fehlender Pflege.
Natur bewirtschaften heißt Natur zulassen
Ein Rundgang
durch den Bestand nach der Auszeige ermöglicht es, sich ein Bild über die
Eingriffstärke zu machen. Eingriffe sollten stets in Maßen durchgeführt werden,
denn zu starke Eingriffe können negative Auswirkungen zur Folge haben:
-
Instabile Bestände werden durch
zu starke Eingriffe noch zusätzlich geschwächt, und das Risiko eines Schadens
(Windwurf, Schneebruch) wird dadurch zusätzlich vergrößert.
-
Zu starke Eingriffe können auch
zur Förderung der Konkurrenzvegetation führen und die Verjüngung gefährden.
Eingriffe, bei
denen bis zu 25 % der Stämme entnommen werden, sind als pfleglich und schonend
einzustufen. Bei der Auszeige sollte man sich nicht an starren Vorgaben
orientieren. Weder ist es förderlich, eine Mindestanzahl von Z-Bäumen zu
definieren, noch, eine bestimmte Mischungsregulierung verschiedener Baumarten
vorzugeben. In stark ungepflegten Beständen kann es durchaus passieren, dass
nur noch 50 Z-Bäume pro Hektar verbleiben. Ebenso sind die
Mischungsverhältnisse im Naturwald von vielen verschiedenen Faktoren
(Kleinklima, Samenverfügbarkeit verschiedener Baumarten, Vorhandensein von
Parasiten und Schädlingen, Witterung) abhängig. Eine fixe Vorgabe, dass ein
Bestand z. B. zu 50 % aus Fichte, zu 30 % aus Tanne und zu 20 % aus Buche
bestehen muss, ist eine gedankliche Vorwegnahme der Realität. In der modernen
Waldwirtschaft werden Bestände nicht mehr „erzogen“, vielmehr wird das
Potential der Natur erkannt und genutzt.
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